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BRIEF AN DIE FREUNDE VON SCHWESTER EMMANUELLE
« Wir müssen unsere Mühsal mit einem Stern verbinden, damit sie fliegen lernt und uhe uns auf diese Weise dem Nichts entreißt. Und dieser Stern ist jener der Liebe, und der Weg dahin ist der Weg des Herzens. » (Schwester Emmanuelle)
Liebe Freundinnen, liebe Freunde,
Bei meinem Besuch im Südsudan im Oktober konnte ich wieder sehen, welchen Unterschied die Hilfe unseres Partners, der Vinzenzgemeinschaft Juba, dank Ihrer Unterstützung ausmacht!
Ein Beispiel dafür ist die außerordentliche hohe Zahl der Lehrlinge in den neun angebotenen Ausbildungen: Es sind diesmal 548, im Jahr 2023 waren es 410! Um einer Bitte der Bewohner des Elendsviertels Lologo, wo sich das Berufsbildungszentrum befindet, nachzukommen, hat die Vinzenzgemeinschaft 72 jugendliche ehemalige Bandenmitglieder aufgenommen.
Seit mehreren Jahren waren diese Banden von etwa 5000 Jugendlichen die Hauptursache für die unsichere Lage in der Stadt, besonders im Armenviertel Lologo. Im vergangenen Jahr haben die Leiter der Gemeinden vor allem in Lologo Sensibilisierungsprogramme gestartet, sowie ein großes Versöhnungstreffen in Juba mit Teilnahme des Innenministers, Organisationen der UNO und NGOs wie der Vinzenzgemeinschaft: Im Beisein des Vizepräsidenten des Staats Zentraläquatoria unterschrieben die Bandenführer einen Vertrag, ihre Aktivitäten zu beenden und von ihren Kämpfen untereinander abzulassen.
Die Mitglieder der Vinzenzgemeinschaft haben darauf angeboten, 72 Jugendlichen, davon vielen, die bereits eine Gefängnisstrafe verbüßt hatten, die Chance einer Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu bieten: 30 wurden als Elektrikerlehrlinge aufgenommen, 25 als Automechaniker, 14 als Maurer, 2 als Schweißer und einer als Kältetechniker.
Ich war freudig überrascht zu hören, dass die Anwesenheit dieser Jugendlichen in den Kursen kein Problem darstellte. Nur die beiden Schweißerlehrlinge haben aufgegeben.
Ich habe drei der Jugendlichen kennengelernt und konnte mir nicht vorstellen, dass sie eine kriminelle Vergangenheit hatten. Sie hatten ganz offensichtlich mit ihrer Gang, ihrer Sucht und der Gewalt gebrochen (zwei von ihnen waren im Gefängnis), und waren fest entschlossen, ihren neuen Weg zu verfolgen.
Hier ist die Geschichte von David Gore, 19 Jahre, Automechanikerlehrling: „Ich bin in Khartoum als dritter Junge einer Familie mit sieben Kindern geboren, sechs Kinder sind Jungen. Im Jahr 2012, nach der Gründung des Staates Südsudan, blieb unser Vater im Sudan und wir zogen nach Lologo I. Das Leben war schwer, wir hatten kein Geld: Meine Mutter verkauft Gemüse auf den Märkten. Aber ich habe meine Grundschulbildung abgeschlossen.
Im Jahr 2021, als ich im ersten Jahr der Sekundarschule war, habe ich meine Ausbildung abgebrochen. Ich bin mit Freunden abgehängt, habe zu trinken und zu rauchen begonnen. Um zu überleben und uns gegenseitig zu schützen, habe ich mich einer Gang angeschlossen, den Wrong Boys. Wir waren etwa 30. Einer meiner älteren Brüder war schon vorher dabei. Er arbeitete als Motorradtaxifahrer, aber man hat ihm sein Motorrad gestohlen. Wir rauchten Gras, konsumierten Drogen in Tablettenform (Cosmos, Kodein, Analgetikum) oder Metamphetamine... Wir begannen, Leute zu bestehlen, Mädchen zu vergewaltigen...
All das bedauere ich sehr, so viele Freunde habe ich verloren. Jungen, mit denen ich so viel Zeit verbrachte. Manchmal übernachteten sie bei mir, und dann wieder ich bei ihnen.
Ein Jahr später, es war im Juli, wollten wir zum Unabhängigkeitstag ein Fest feiern, hatten aber kein Geld. Mein bester Freund Wani wollte uns Geld verschaffen (und Leute überfallen). Ich ging duschen und mich auf den Abend vorbereiten. Unterdessen wurde Wani von einer rivalisierenden Gang überfallen, den BSB (Black Street Boys) aus Lologo II. Sie haben ihn mit Macheten verwundet, ihm mit einem Messer den Bauch aufgeschlitzt und ihn mit herausquellenden Gedärm auf der Erde liegen lassen. Einige Stunden später sind Polizisten in unser Viertel gekommen, haben Wanis Haus gesucht und seine Mutter ohne weitere Erklärung mitgenommen. „Was hat mein Kind getan?“ fragte sie unter Tränen. Wani war im Spital verstorben. Er war 17 Jahre alt.
So großen Schmerz hat uns das bereitet: Wir aßen zusammen, machten alles gemeinsam! Zusammen mit den Jungs der Gang wollten wir unseren Bruder rächen. So sind wir in das Viertel der Black Street Boys gezogen, aber da wimmelte es vor Soldaten und kein Gangmitglied war zu sehen. In den folgenden Tagen suchten wir sie auf unseren Motorrädern, aber vergeblich, sie versteckten sich. Zwei Monate später wurde Wanis Mörder von der Polizei festgenommen.
Das hat mich wachgerüttelt. Ich hatte zu sehr gelitten...Ich wollte nicht so enden wie mein Bruder Wani oder andere Freunde, die im Gefängnis sind. Im Mai 2023 hat die Regierung Frieden zwischen den Gangs geschaffen. Meine Bande hat sich aufgelöst, wir leben jetzt in Frieden mit den anderen. Ich nehme keine Drogen mehr. Auch mein Bruder hat die Gang verlassen und jetzt seinen Schulabschluss geschafft.
Unser Sultan [das Oberhaupt des Viertels] hat vom Zentrum der Vinzenzgemeinschaft gesprochen. Und in den Straßen sah ich Lehrlinge vorbei gehen, oder jene, die nach der Ausbildung da und dort arbeiteten. So habe auch ich mich beworben, und jetzt kann ich ein Auto reparieren! Ich werde meinen Lebensunterhalt verdienen und meiner Familie helfen können.
Ich bitte die Vinzenzgemeinschaft um einen Werkzeugkoffer nach Lehrabschluss, damit ich gleich zu arbeiten beginnen kann. Gott möge mir helfen!“
Die lokale Bevölkerung ist der Vinzenzgemeinschaft äußerst dankbar für ihre Hilfe, welche genau dem Motto des Projekts entspricht: „Waffen aus den Händen nehmen und ihnen Werkzeug geben“, auch im Sinne Sr.Emmanuelles nach dem Zitat am Beginn dieses Briefes: unsere Mühsal an einen Stern der Liebe hängen.
Unterdessen stürzt das südsudanesische Pfund schneller denn je weiter ab: Seit Jahresbeginn beträgt sein Wert im Vergleich zum Dollar nur mehr ein Fünftel! Ein Liter Treibstoff kostet etwa einen Dollar. Und dieser Verfall betrifft alles, auch das Wasser aus dem Nilzufluss, das der Bevölkerung in Tankwägen geliefert wird.
Zusätzlich zu den Standardausbildungen knüpft die Vinzenzgemeinschaft vor Ort Verbindungen zu NGOs, um eine kürzere Lehrzeit zu verwirklichen. So haben während meines Aufenthalts 6 Sudanesen aus den Bergen Nubiens, die für NGOs oder die sudanesische Regierung arbeiten, ihre Ausbildung zu Schweißern abgeschlossen, welche von der Nationalen Christlichen Entwicklungsorganisation finanziert wurde. Thomas Wani, 37 (gegenüber) vor kurzem angeheuert und vielversprechend für das Leitungsteam, ist für das Knüpfen des lokalen Netzwerks zuständig.
Zum Schluss möchten wir Ihnen noch mitteilen, dass Marie-Claire Ricou im Juni verstorben ist. Sie war Gründungsmitglied von ASASE, jahrelange Vizepräsidentin, eine Stütze in unserem Komitee. Mit ihrer Bescheidenheit, Großzügigkeit und ihrer charakteristischen netten Art hat sie sich bei uns eingebracht. Sie wird uns sehr fehlen.
Herzlichen Dank für Ihre so wichtige Gabe!
Unsere Vorsitzende Florence Rivollet und unser Kassier (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!) stehen Ihnen gerne für eventuelle testamentarische Vermächtnisse zur Verfügung.
Mit den besten Wünschen für ein wunderschönes Weihnachtsfest!
Patrick Bittar
Direktor
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